Am 14. November fand der Workshop der Jakob Bleyer Gemeinschaft zu den Volkszählungen in Ungarn statt. Die Veranstaltung war eine ausgezeichnete Möglichkeit, über gegenwärtige und zukünftige Aktualitäten sowie Herausforderungen bezüglich der Lage der Minderheiten zu diskutieren.

Im ungarndeutschen Kreisen neigen wir oft dazu, die Volkszählungen nur aus einer Perspektive zu betrachten – und zwar aus der eigenen. Ich muss auch ehrlich zugeben, das Einzige, was ich mir auf der Webseite des Landesamtes für Statistik (KSH) unter „Volkszählungen“ bis heute angeschaut habe, war die Zahl der Minderheitenangehörigen. Die zum Workshop geladenen Experten haben den Teilnehmenden aber unter anderem einen komplett unterschiedlichen Blickwinkel gezeigt.

Wenn wir uns die Volkszählungen der letzten 30 Jahre anschauen, zeigt sich ein sehr erfreuliches Bild. Jedes Mal bekannte sich ein größerer Anteil der Bevölkerung zur deutschen Nationalität, bis wir sogar fast die magische 200.000-Marke erreicht haben. Wir interpretieren diese Zahlen als ein größer gewordenes Vertrauen der älteren Generation nach den tragischen Folgen der Volkszählungen in der Vergangenheit und als eine tiefere Verbundenheit mit dem kulturellen Erbe seitens der Jüngeren. Teilweise ist das auch Realität. Aber man muss leider eine pessimistischere Lesart auch in Betracht ziehen.

Die Fragen der Formulare in der Volkszählung beziehen sich auf „deutsche Nationalität“, was nicht nur die ungarndeutschen Bevölkerung, sondern auch andere, im Land ansässige deutsche Personen betrifft. Und sie werden dank der Präsenz zahlreicher deutscher Firmen in Ungarn sicherlich immer mehr. Wenn wir das nicht ernst nehmen, täuschen wir uns selbst. Das Ergebnis wird außerdem durch die Frage nach der Muttersprache und nach der in der Familie und im Freundeskreis benutzten Sprache noch komplizierter. Um auf eine realistischere Zahl zu kommen, müsste man minderheitenspezifische Fragen ausarbeiten und die Bevölkerung über die korrekte Antwortgabe detailliert aufklären, was das Statistikamt keineswegs als eigene Aufgabe sieht.

Wir müssen annehmen, dass die Volkszählung keine Erhebung über die Lage der Minderheiten darstellt. Bei der Zusammenstellung der Formulare muss man nach Erfahrungen der Experten sehr viele Faktoren gleichzeitig betrachten und es gibt noch kritischere, kompliziertere Bereiche, zum Beispiel unterschiedliche Fragen bezüglich der finanziellen Lage, geschweige denn die Probleme mit dem Datenschutz. Sogar die Experten von „KSH“ können das nicht händeln, und das ist auch kein Ziel.

Langsam ist es also an der Zeit zu akzeptieren, dass die glänzenden, immer positiveren Ergebnisse bei den Volkszählungen kritisch hinterfragt werden müssen. Eine minderheitenspezifische, empirische Forschung zum Thema wäre dringend erforderlich, um zu sehen, wie stark wir tatsächlich sind.